Eine Mutter in Sorge

AWO Erziehungsexperten wissen Rat

SVZ/Marco Dittmer: Eine Schweriner Mutter durchlebt seit Monaten eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffnung, Sorgen und Ängsten. Ihre 16-jährige Tochter ist seit einem Jahr gefangen in einer toxischen Beziehung. Immer wieder muss die 44-jährige Mutter mit ansehen, wie die Tochter mit Verletzungen nach Hause kommt. Blaue Flecken am Hals und im Gesicht, Abschürfungen am Bein, mutmaßlich zugefügt von dem ebenfalls 16-jährigen Partner, heute ihr Ex-Freund.

„Ich kann einfach nichts unternehmen“, sagt die Mutter verzweifelt. Immer wieder habe sie auf ihre Tochter eingeredet, die Beziehung verboten, dem Freund Hausverbot erteilt. Doch ihre Tochter sucht weiter die Nähe, verteidigt ihn und die Taten. Weil sie Angst vor den Folgen einer Veröffentlichung hat, will sie nicht ihren Namen nennen.
Das Problem: Die Tochter sah sich bisher nicht als Gewaltopfer und suchte sich aus diesem Grund keine Hilfe. Die Mutter fühlt sich alleingelassen. „Ich habe schon alles versucht, über einen Umzug nachgedacht, Selbsthilfegruppen angerufen. Jetzt bin ich gerade auf der Suche nach einer psychologischen Beratung“, so die Mutter.

Erziehungsberaterin der Arbeiter Wohlfahrt (AWO) Heike Gadtsch kennt Fälle wie diesen: „Das ist sicher kein Einzelfall. Natürlich kann auch die ersten große Liebe in Gewalt oder einer anderen toxischen Abhängigkeiten enden.“ Erschwerend hinzu komme, dass manche Jugendliche, Jungen wie Mädchen, nicht wissen, was eine Liebesbeziehung bedeutet.
Eltern rät sie, so viel wie möglich mit ihren Kindern zu reden. „Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es nicht nur um die Sorgen der Eltern geht“, sagt Heike Gadtsch. Die Beziehung beispielsweise einfach zu verbieten, löse selten das Problem. Eher im Gegenteil: „Desto mehr löst man eine für die Pubertät typische Trotzreaktion aus. Die Eltern werden dann zum Feindbild. Der manipulierende Partner bekommt damit eher mehr Einfluss“, so Gadtsch.
Ein Teufelskreis, denn je mehr sich die Kinder von den Eltern abwenden, desto sicherer fühlt sich der gewalttätige Partner. Allein sollen sich aber weder Eltern noch Jugendliche fühlen. „Es gibt mehrere Hilfseinrichtungen, die hinzugezogen werden können“, sagt Heike Gadtsch. Das Jugendamt wird gleich von mehreren Stellen empfohlen. Von dort könne zum Beispiel eine sogenannte Erziehungsbeistandschaft vermittelt werden. „Dabei kann ein Berater insbesondere auf die persönliche Situation des Jugendlichen eingehen“, erklärt Gadtsch.

Wichtig ist auch die Frage, was eine gesunde Beziehung ausmacht. „Wie stark ist die Emotion gegenüber dem, was ich erfahre“, erklärt Steffen Marquardt, Bereichsleiter Hilfen zur Erziehung/Hilfen zur Lebensbewältigung. Marquardt zählt auf, welche Fragen dabei helfen, zu erkennen, ob man sich in einer toxischen Beziehung befinde: Wie sicher fühle ich mich? Wie wohl fühle ich mich? Wie frei bin ich in meinen eigenen Entscheidungen?

Weiterhelfen auch die Interventionsstelle der Arbeiterwohlfahrt. Diese sei telefonisch erreichbar und bietet Unterstützung für Betroffene von häuslicher Gewalt als auch deren Angehörigen. Und auch die „Frauen in Not“, eine weitere Hilfestelle in Schwerin, können für eine Erstberatung angerufen werden, so die AWO.
Aktuell schöpft die 44-jährige Mutter wieder Hoffnung. Nach einem erneuten Übergriff in der vergangenen Woche stellen sie und ihre Tochter Strafanzeige bei der Polizei gegen den Ex-Freund. Zum ersten Mal spricht die 16-Jährige über die Taten. Ihre Mutter hört alles mit.
Die Polizei Schwerin bestätigt eine entsprechende Strafanzeige. Eine weitere Anzeige gegen das Mädchen sei ebenfalls gestellt worden. „Sie ist wieder zu ihm hin und hat das Gespräch gesucht. Dabei ist es zu einer Auseinandersetzung mit einem anderen Mädchen gekommen“, so berichtet es die Mutter. „Es zeigt, dass meine Tochter noch immer nicht damit abgeschlossen hat.“ Und: „Ich gebe nicht auf. Meine Angst ist, dass sie das noch Jahre ertragen muss.“

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